Viele Städte behaupten von sich, besonders viele Grünflächen zu bieten. In bisherigen Vergleichen wurden aber lediglich öffentliche Grünanlagen und Waldgebiete gegenübergestellt. Die Stadtgrün-Ranglisten enthalten keine Daten über private Grünflächen. Doch diese wollten wir in die Erhebung einbeziehen. Denn: Für das Stadtklima zählt jede Pflanze. Also haben wir für die Geschichte „Das sind Deutschlands grünste Städte“ eigene Daten erhoben – aus Satellitenbildern.
Satellitenbilder gibt es von vielen Anbietern. Hier gibt es eine gute Übersicht, wie viele und welche Satelliten sich derzeit im All befinden. Dabei lassen sich sogar einzelne Satelliten nachverfolgen. Kostenpflichtig und in sehr hoher Auflösung gibt es etwa Bilder von Digital Globe. Weniger hoch aufgelöst, dafür kostenlos und über einen langen Zeitraum verfügbar, kann man Bilder der Nasa-Satellitenreihe Landsat herunterladen und analysieren. Seit 1984 liefern die Landsat-Satelliten 4,5,7 und 8 Bilder aus dem All, etwa alle zwei Wochen kommen sie am selben Ort vorbei. Um an diese Bilder zu gelangen, kann man sich einen kostenlosen Account bei USGS Earth Explorer anlegen, entsprechende Bilder suchen und einzeln herunterladen. Ein Bild ist rund 1GB groß und liegt als GeoTiff vor. Hier gibt es einen Überblick über Quellen kostenloser Satellitenbilder. Eine anschauliche Einführung in das Thema Remote Sensing/Fernerkundung stellt Harald Schernthanner bereit.
Analysiert und verarbeitet werden können diese Bilder nun mit zahlreichen Tools von Photoshop über QGIS bis GDAL. Das US-Recherchebüro ProPublica (bei denen ich 2012 ein Praktikum absolviert habe), arbeitet bereits seit einiger Zeit mit Satellitendaten. In diesem Blogbeitrag und diesem Tool-Überblick beschreiben sie im Detail, was alles im Bereich möglich ist. Sie selbst zeigen mit Losing Ground, wie Lousiana nach und nach im Meer versinkt. Die New York Times zeigt das Ausmaß der Zerstörung von Gebäuden im Gazastreifen mit einer Auswertung von Satellitenbildern.
Um nun aber mehrere Jahrgänge und Hunderte solcher Bilder auszuwerten, gibt es den Dienst Google Earth Engine. Sie beinhaltet mehrere Petabyte an Satellitenbildern, die mit vorgefertigten Methoden in kurzer Zeit verarbeitet werden können, ohne dass sie erst einzeln heruntergeladen werden müssen. Es muss direkt im Code gearbeitet werden. Die Macher stellen aber eine verständliche Einführung mit vielen Beispielen bereit.
Und so sind wir vorgegangen: Als erstes laden wir alle verfügbaren Landsat-Satelliten mit orthorektifizierten, also pixelgenau übereinandergelegten Aufnahmen. Davon nehmen wir Bilder aus den vergangenen zehn Jahren in der Haupt-Vegetationsperiode Juni und Juli. Da Wolken die Werte stark verzerren können, wählen wir lediglich Bilder mit einer Wolkenbedeckung von unter fünf Prozent. Die insgesamt 185 Bilder werden nun pixelgenau übereinandergelegt und von jedem Pixel der Median-Wert gewählt. So entsteht ein Mosaik von Deutschland in einer Auflösung von 30×30 Metern pro Pixel.
Im nächsten Schritt wird für jede Fläche der Vegetationsindex NDVI (Normalized Difference Vegetation Index) berechnet. Der NDVI ist das gängigste Verfahren, um nachzuweisen, wie viel Pflanzengrün (Chlorophyll) an einem Ort vorhanden ist. Pflanzen reflektieren das Licht in bestimmten Wellenbereichen (Übersicht der Landsat-Bänder). Anhand der Kombination aus rotem und nahem Infrarot-Bereich lässt sich der Wert ermitteln. Daraus resultieren in unserer Rechnung Werte zwischen 0 (keine Vegetation) und 0,8 (üppige Vegetation). Die Karte haben wir als GeoTiff-Raster exportiert, in QGIS auf die Deutschland-Grenzen geclippt und per Tilemill auf Mapbox hochgeladen.
Nachdem für jedes Pixel der NDVI-Wert ermittelt war, wurden diese in nur zwei Kategorien eingeteilt: entweder mit Vegetation oder ganz ohne – wie Wasser oder bebaute Flächen. Diese Unterteilung wurde mit einem NDVI-Schwellenwert von 0,45 getroffen. Alles darunter gilt als nicht bepflanzt. Um schließlich den Anteil der Vegetation zu berechnen, haben wir den Anteil der gesamten Vegetation innerhalb der jeweiligen Stadtgrenzen aller deutschen Großstädte (mehr als 100.000 Einwohner) berechnet. Um die Städte vergleichbar zu machen, nutzen wir die administrativen Grenzen. Dieser Vergleich kann von der subjektiven Wahrnehmung abweichen (in Siegen zählt vor allem der Wald um die Siedlungsfläche herum). Um zusätzlich noch die Grünanteile für die reinen Siedlungsflächen zu bekommen, arbeiten wir derzeit an einer Aktualisierung. Danke an Friedrich Hartmann für den Tipp für entsprechende Datensätze.
Während des gesamten Projekts wurden wir von wissenschaftlicher Seite von den Doktoranden Simon Nieland und Phillip Gärtner von der TU Berlin sowie Joachim Maack von der Uni Freiburg unterstützt. Hier war auch wieder der Expertenmakler des Informationsdienst Wissenschaft (idw) sehr hilfreich. Von technischer Seite hat uns das Google-Earth-Outreach-Team und das Google News Lab unterstützt. So konnten wir offene Fragen direkt mit Entwicklern der Earth Engine klären.
Seit kurzem liefert der ESA-Satellit Sentinel 2 noch deutlich hochauflösendere Daten mit einer Genauigkeit von 10×10 Metern. Skybox-Satelliten senden sogar HD-Videos aus dem All. Satellitendaten werden also eine immer wichtigere Quelle für Journalisten.